Grigrorij Gorin
Wir befinden uns im antiken Griechenland des Jahres 356 v. Chr.
Der Artemistempel, das Heiligtum der Stadt Ephesos begeistert die ganze Welt. Doch es geschieht ein Unglück: Das Weltwunder wird von einem armseligen Markthändler, Herostrat, niedergebrannt.
Das aufgebrachte Volk verlangt die sofortige Hinrichtung des Verbrechers, aber es ereignet sich Seltsames: Aus dem Gefängnis heraus manipuliert Herostrat das Meinungsbild einer ganzen Stadt.
Nachdem wir 1999 bereits Derselbe Münchhausen aufgeführt hatten, entschlossen wir uns, ein weiteres Stück des im vorigen Jahr verstorbenen russischen Autors Grigorij Gorin zu inszenieren:
Vergesst Herostrat, eine Tragikomödie in zwei Teilen.
Vergesst Herostrat läßt sich als psychologisch differenzierte und dramaturgisch spannende Parabel auf unsere Mediengesellschaft und unser Geschichtsverständnis verstehen. Aber bei allem politischem und philosophischem Tiefsinn mangelt es gewiß nicht an bissigem Spaß und hintergründiger Süffisanz.
Ich beabsichtige, das Problem der Berühmtheit zu untersuchen, der gelegenheitsbedingten wie der dauerhaften, und zu prüfen, unter welchen Bedingungen beide Typen unter den Menschen in Erscheinung getreten sind, und nach Möglichkeit vorauszubestimmen, unter welchen Bedingungen das Auftreten jedes der beiden Typen in der Zukunft wahrscheinlich ist. Berühmtheit bedeutet die Anerkennung eines Menschen oder einer Gruppe von Menschen als in irgendeiner Weise wertvoll für die Menschheit. Um das Problem untersuchen zu können, müssen wir die Berühmtheit definieren. Ebenso müssen wir auch die Menschheit definieren.
(…) Es sei jedoch der Gedanke erlaubt, daß bei Herostrat eine Art von Größe vorliegt: eine Größe, die er nicht mit jenen teilen muß, die weniger aufsehenerregend als er in die Sphäre des Ruhms eingebrochen sind. Wir können uns ihn, einen Griechen, im Besitz der zarten Wahrnehmungsfähigkeit und in dem stillen Schönheitsdelirium befangen vorstellen, die noch immer die Erinnerung an sein den Giganten gleiches Volk beflügeln. Man kann sich daher vorstellen, daß er den Dianatempel in einer schmerzlichen Raserei in Brand gesteckt hat und daß ein Teil von ihm in der Hitze seines verfehlten Unternehmens mit verbrannte. Wir können ihn uns glaubhaft als jemanden vorstellen, der die Plackereien künftiger Gewissensbisse schon überwunden hatte und der Dauerhaftigkeit des Ruhmes mit Schaudern und bewußt entgegensah.
(…) Doch wenn Herostrat in dieser Gesinnung gehandelt hat, gerät er damit sogleich in die Gesellschaft aller Menschen, die durch die Stärke ihrer Individualität groß geworden sind. Er bringt das Opfer an Gefühl und Leidenschaft (…), das den Weg zur Unsterblichkeit kennzeichnet. Er leidet, damit sein Name erhöht wird, wie Christus, der als Mensch stirbt, um sich selbst als das WORT zu beweisen.
aus: „Fernando Pessoa, Herostrat – Die ästhetische Diskussion I“
Besetzung | |
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Beobachter | René Beaujean |
Tissafernes, Herrscher von Ephesos Satrape des persischen Königs | Norbert Hossner |
Klementine, seine Frau | Asita Zsabardjadi / Martina Johach |
Kleon ,Archon basileus in Ephesos | Harald Hupp |
Herostrat | Tom Klimant |
Chrysippos, Wucherer | Klaus Ricking |
Erite, Priesterin im Artemistempel | Angelika Malat |
Aufseher | Robert Faber |
Einwohner von Ephesos | Karl Ollfisch / Thomas Bünten Pawel Natkaniec Alex Tesler |
Übersetzung ins Deutsche | Paul Kruntorad |
Musik | Benedikt Bollig |
Illustration | Elena Bulatowa – Pagel |
Graphik | René Beaujean / Andreas Tondorf |
Kostüme | Suse Lorenzen |
Schuhe | Erika Eichele |
Technik | Waldemar Faber |
Regie/Bühnenbild | Tatjana Jurakowa |